25.10.-27.10.2024
17. Marx-Herbstschule: Freiheit, Gleichheit, Ausbeutung

Die 17. Marx-Herbstschule behandelt Marx‘ Kritik der bürgerlichen Ideale: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Eigentum, Demokratie und Menschenrechte. Diese Kritik findet sich schon in seinen frühen, noch philosophisch geprägten Schriften. Hier zeigt Marx u.a., dass die bürgerliche Gesellschaft sich an ihren eigenen Idealen messen muss und keine anderen kennt, ihre Ideale aber nicht einlösen kann – ohne zu verstehen, warum. Doch erst auf der Höhe seiner Kritik der politischen Ökonomie hat Marx die Grundlage gefunden, um diese Kritik neu auszurichten und die innerphilosophische Auseinandersetzung zu verlassen. Einerseits kann er nun zeigen, dass die Ideale der bürgerlichen Gesellschaft, vor allem ihre Vorstellungen von Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit, aus der Sphäre des Warenaustauschs und der Zirkulation entstammen, dem „Garten Eden der angeborenen Menschenrechte“, in denen „Freiheit, Gleichheit, Eigentum und Bentham“ herrschen. Und zum anderen kann er zeigen, dass auch und gerade unter den Bedingungen von rechtlicher formaler Gleichheit sowie von gleichem und freiem Äquivalententausch Ausbeutung und Herrschaft stattfinden, und ökonomische und soziale Ungleichheit die Bedingung davon sind, oder vielmehr, dass sie dem Kapitalverhältnis und der kapitalistischen Eigentumsordnung von vornherein und notwendig eingeschrieben sind. Diese ökonomiekritische Ausrichtung hat wiederum eine doppelte Stoßrichtung. Sie richtet sich zum einen gegen die bürgerlichen Ideale und ihre Versprechungen, zum anderen aber gegen verkürzte Vorstellungen und Hoffnungen in der sozialistischen Bewegung und ihrer Kapitalismuskritik, insbesondere bei dem französischen Sozialisten Proudhon. Zugleich richtet sie sich gegen Vorstellungen und Praxen, die hinter bürgerliche Ideale zurückfallen. Wir wollen uns diese Kritik an den bürgerlichen Idealen vor allem mit dem 4. Kapitel aus Marx‘ Kapital erschließen, wo er den Übergang des Geldes in die Kapitalform behandelt und sich der Produktion der Waren sowie des Mehrwerts durch die kapitalistische Verwertung der Ware Arbeitskraft zuwendet. Im Rahmenprogramm wollen wir am Samstagabend auf „Überausbeutung“ eingehen. Denn natürlich gibt es neben einer Ausbeutung, die sich in den Formen von rechtlicher Freiheit und Gleichheit sowie durch ökonomische Äquivalenzverhältnisse vollzieht, auch die verschiedensten Formen einer Ausbeutung, die selbst diesen bürgerlichen Idealen widersprechen. Sie sind meist eng mit bestimmten Macht- und Unterdrückungsverhältnissen verbunden, wie etwa Kolonialismus und Sklaverei, Migration und Rassismus oder unterbezahlter Reproduktions- und Care-Arbeit. In der Abschlussveranstaltung am Sonntag wollen wir die Universalismusproblematik im Anschluss an Bruno Bauer und Marx‘ Text „Zur Judenfrage“ aufarbeiten.

Programm:

Freitag I 25.10.24
ab 16 Uhr: Anmeldung bei der Marxherbstschule
17-18:30 Uhr: Einführung ins Thema, Reader und die MEGA-Ausgabe
Mit: Nadja Rakowitz, Christian Frings und André Kistner
19-21 Uhr: Lesekreise in einzelnen Gruppen
Teamer*innen und Orga: Dimitra Alifieraki, Ozeni Athanasiadou, Valeria Bruschi, Johanna Dankers, Frank Engster, Christian Frings, Ehrenfried Galander, Thomas Gehrig, Tatjana Gossen, André Kistner, Nadja Rakowitz, Bafta Sarbo, Christian Schmidt, Jenny Simon, Matthias Ubl, Birgit Ziener

Sonnabend I 26.10.24
10-13 und 14-18 Uhr: Lesekreise in einzelnen Gruppen (zur Pause: Mittagessen)
19-21 Uhr: Abendveranstaltung: Janina Puder und Bafta Sarbo: Überausbeutung
Schon Marx stellte den Kapitalismus als einen Weltmarkt dar, indem aber nicht alle Länder auf gleiche Weise in die ökonomische Entwicklung einbezogen wurden. Entwicklungsunterschiede zwischen Ländern des sog. Globalen Nordens und Globalen Südens wurden im Folgenden vor allem durch Imperialismustheorien theoretisch analysiert. Während Wertschöpfungsketten sich immer weiter globalisieren nimmt globale soziale Ungleichheit seit Jahrzehnten weiter zu. Wie lassen sich diese globalen Differenzen im Lohngefälle und im Lebensstandard von Arbeiter:innen fassen? Überausbeutung ist ein viel diskutiertes Konzept, das aufbauend auf dem Marxschen Ausbeutungstheorem versucht genau dieses Phänomen zu konzeptualisieren. Es ist verwurzelt in der marxistischen Dependenzdebatte, die sich mit der Unterentwicklung der Länder des Globalen Südens nach dem formalen Ende des Kolonialismus befasst und versucht analytisch nachzuvollziehen, inwiefern unterschiedliche Ausbeutungsregime strukturell miteinander verbunden sind.

Sonntag I 27.10.24 I
9-11 Uhr: Lesekreis für Frühaufsteher*innen
11-13 Uhr: Linker Universalismus gegen Minderheiten? Identitätspolitik und Antisemitismus bei Bauer, Marx und darüber hinaus
Vortrag und Diskussion mit: Christian Schmidt
Als Bruno Bauer seine Artikelserie „Die Judenfrage“ schrieb, löste er damit eine ganze Flut an Rezensionen und Widerreden aus. Nicht nur Vertreter des liberalen Judentums fühlten sich davon herausgefordert, dass Bauer im Namen der Emanzipation vehement dagegen argumentierte, dass Menschen jüdischen Glaubens volle Bürgerrechte erhalten sollten. Bauer ging es aber gar nicht um die Frage des rechtlichen Status, die praktisch ausgesprochen bedeutsam war. Bauer ging es darum, dass die Emanzipation mit dem Festhalten an traditionellen Vorstellungen und insbesondere mit dem Festhalten an Religionen unvereinbar sei. Emanzipation sei etwas universelles, während Religionen und andere traditionelle Einstellungen die Menschen spalteten und deshalb überwunden werden müssten. Bruno Bauer nimmt damit einen radikal universalistischen Standpunkt bezüglich der Identitätspolitik ein – bevor der Ausdruck überhaupt erfunden wurde. Der historische Kontext zeigt aber, welche Gefahren mit einem solchen Standpunkt einhergehen. Welche Lehren lassen sich daraus für das gegenwärtige Ringen um Emanzipation ziehen?

Reader der 17. Marx-Herbstschule “Freiheit, Gleichheit, Ausbeutung”

Der Reader kann hier runtergeladen werden.

Inhalt:

1. Die Verwandlung von Geld in Kapital
Das Kapital, Band 1, 4. Kapitel, MEW Bd. 23, S. 161–191 (S.2)

2. Der Austauschprozeß
Das Kapital, Band 1, 2. Kapitel, MEW Bd. 23, S. 99/100 (S. 34)

3. Verwandlung von Mehrwert in Kapital
Das Kapital, Band 1, 22. Kapitel, MEW Bd. 23, S. 609–614 (S. 37)

4. Der Arbeitslohn
Das Kapital, Band 1, 17. Kapitel, MEW Bd. 23, S. 562 (S. 44)

5. Trinitarische Formel: Revenue and its sources. Entwicklung des
zinstragenden Kapitals auf Basis der kapitalistischen Produktion
Theorien über den Mehrwert, MEW Bd. 26.3, S. 445–447 (S. 46)

6. Grundrisse: Das Kapitel vom Geld, Heft II
Grundrisse, MEW Bd. 42, S. 164 (S.50)

7. Das Kapitel vom Kapital
Grundrisse, MEW Bd. 42, S. 170–174 (S. 52)

8. Das Kapitel vom Kapital
Grundrisse, MEW Bd. 42, S. 550–552 (S. 58)